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Grobe Fahrlässigkeit beim „Haus der offenen Tür“

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 21. November 2006 entschieden (Az.: 12 U 150/06), dass sich der Kaskoversicherer nicht automatisch auf grobe Fahrlässigkeit bei anschließender Entwendung des vor dem Haus geparkten Fahrzeugs berufen kann, wenn ein Täter nur durch eine offene Haustür zu gehen braucht, um den auf einem Tisch liegenden Autoschlüssel zu entwenden. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an.

Die Klägerin hatte am ungarischen Plattensee Urlaub gemacht und dort ein Ferienhaus gemietet. Ihren Pkw parkte sie auf der Straße vor dem Haus. Den Fahrzeugschlüssel legte sie von außen nicht sichtbar auf einen Tisch.

Die Frau öffnete am anderen Morgen für etwa eine Stunde die Haustür, um das Haus zu lüften. Sie selbst blieb in dem Haus und verrichtete dort verschiedene Dinge. Während dieser Zeit gelang es einem Dieb, sich unbemerkt in das Feriendomizil zu schleichen und den Fahrzeugschlüssel zu entwenden. Anschließend fuhr er mit dem Pkw der Klägerin davon.

Nachdem die Frau den Schaden ihrer Kaskoversicherer meldete, lehnte dieser eine Regulierung ab. Denn weil die Versicherte die Haustür offen gelassen hatte, habe sie nach Ansicht des Versicherers grob fahrlässig im Sinne von § 61 VVG gehandelt.

Dem wollte das Gericht nicht folgen und gab der Klage der Frau in vollem Umfang statt.

Nach Ansicht des Gerichts kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin den Dieb wegen der offen gelassenen Haustür förmlich eingeladen hat, den Fahrzeugschlüssel zu entwenden. Die Frau habe demnach allenfalls fahrlässig gehandelt. Denn jedes Haus muss gelüftet werden und bietet in so einer Situation daher Unbefugten einen leichten Zutritt.

Im vorliegenden Fall hat sich der Autoschlüssel von außen nicht sichtbar im umgrenzten Gewahrsamsbereich der Versicherten befunden. Der Täter hat am helllichten Tag durch die Haustür eintreten müssen, um den Schlüssel überhaupt entdecken zu können – und das, während sich die Klägerin in dem Haus aufhielt. Darüber hinaus hat ein das Haus umgebender hoher Metallzaun ein zusätzliches Hemmnis für den Dieb dargestellt, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. In einer derartigen Situation muss sich einem Versicherten nach Ansicht der Richter nicht aufdrängen, dass ein Dieb durch die zum Lüften geöffnete Tür das Haus betreten könnte, um ausgerechnet den Autoschlüssel zu entwenden und danach den Pkw zu stehlen. Unter diesen Umständen liegt ein Fall einfacher Fahrlässigkeit vor. Der Versicherer kann sich daher nicht auf Leistungsfreiheit berufen.

Folgenreiches Wendemanöver

Das Hessische Landessozialgericht hat mit Urteil (Az.: L 3 U 25/07) vom 19. Juni 2007 entschieden, dass Versicherte, die sich auf dem direkten Weg zur bzw. von der Arbeit befinden und ihre Fahrt unterbrechen müssen, um Einzelheiten eines Unfalls aufzuklären, auch dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn sie ihr Fahrzeug wenden müssen, um zum Unfallort zurückzukehren.

Ein Autofahrer hatte auf dem Weg von seiner Arbeit seine Fahrt unterbrochen, um Einzelheiten eines vorangegangenen Unfalls zu klären. Auch diese Unterbrechung steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

In dem entscheidenden Fall musste der Versicherte erst vor Gericht ziehen, um seine Forderungen gegenüber seiner Berufsgenossenschaft durchsetzen zu können.

Der Geschädigte befand sich auf dem direkten Weg von seiner Arbeitsstätte nach Hause, als von einem entgegenkommenden Fahrzeug der linke Außenspiegel seines Autos abgefahren wurde. Der Mann wendete daraufhin und fuhr zum Pkw des Unfallbeteiligten zurück, um Einzelheiten des Unfalls zu klären. Am ursprünglichen Unfallort fuhr kurz darauf ein drittes Fahrzeug auf das auf dem Seitenstreifen abgestellte Fahrzeug des Klägers auf. Dabei wurde dieser erheblich verletzt.

Die Berufsgenossenschaft des Mannes verweigerte mit dem Argument den Unfallversicherungsschutz, dass der Kläger seinen Heimweg nur unterbrochen habe, um seine Schadenersatzansprüche gegenüber dem ersten Unfallgegner zu sichern. Denn eigenwirtschaftliches Handeln zur Verfolgung privater Schadenersatzansprüche würde nicht unter den Schutz der Berufsgenossenschaft fallen.

Das Hessische Landessozialgericht sah das anders und gab der Klage des Versicherten statt. Auch wenn der Kläger sein Fahrzeug gewendet und damit seinen direkten Weg nach Hause unterbrochen hatte, stand die Fahrtunterbrechung nach Überzeugung des Gerichts in unmittelbarem Zusammenhang mit dem versicherten Heimweg. Denn Regulierungsgespräche nach einem Unfall dienen nicht nur der Sicherung privater Ansprüche. Die Straßenverkehrsordnung schreibt sie den Unfallparteien vielmehr vor. Wer einen Unfallort einfach verlässt, begeht Fahrerflucht und das steht unter Strafe, so das Gericht.

Deswegen muss die Berufsgenossenschaft den zweiten Unfall trotz des Wendemanövers des Klägers als Arbeitsunfall anerkennen und Versicherungsschutz gewähren.

Eine Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls gegen die Entscheidung zugelassen.








 

 

 

 

 

 

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